Die „Karli“ – ein urbaner Strip im Vorbeigehen
Text & Fotos: Felix Liebig am 13. Juli 2014
Beinahe schnurgerade zieht in Leipzig die Karl-Liebknecht-Straße vom Wilhelm-Leuschner-Platz im Norden zur Koburger Brücke im Süden. Auf dem Weg zu einem Sommerfest bei Freunden nahm ich mir zwei Stunden Zeit, um vom Hauptbahnhof ausgehend in Richtung Wildpark auf diesem → „Strip“ (hier am Beispiel von Las Vegas) zu laufen. Wobei Strip hier nicht das meint, was wir in Deutschland darunter verstehen, allenfalls ist es Teil dieses urbanen Gefüges, sondern das amerikanische Wort für eine zumeist suburbane Ausfallstraße mit unzähligen aufgereihten Ereignissen.
Das Ergebnis sind die folgenden Fotos als Reihe augenscheinlicher Begegenheiten ohne weitere Vertiefung. Die ursprüngliche Idee einer „Street Photography“ aus der Inspiration des Dokumentarfilms → „Finding Vivian Maier“ gab ich allerdings auf. Dazu müssen die technischen und mentalen Rahmenbedingungen stimmen. Womöglich erschienen mir die Spuren der Menschen hier interessanter als die Menschen selbst – das war die Anatomie der Abwesenheit, bevor ich unter Freunden ohnehin auch fotografisch die Anwesenheit des Menschen feierte.
Ich probiere in diesem Fall ausnahmsweise eine – völlig freie und nicht ganz ernst zu nehmende – Interpretation des Gesehenen in einem Gedankenzug, Verzeihung: -strip:
- Der Strip beginnt mit einem Denkmal im Zentrum …
- … wo auch der Rasen geschützt ist …
- … und die vielen neuen Buslinien ihre Spuren hinterlassen (freilich kurios) …
- … große Ereignisse ihre Schatten voraus malen …
- … und unwirkliche Kunstwerke die Welt in diffuse Reflexionen tauchen …
- … während das erste Tor (zu)fällt …
- … bzw. der Ostsee-Urlaub erste Vorboten sendet …
- … so heißt es Abschied nehmen vom alten Leipzig …
- … und seiner Volkswirtschaft …
- … der Balkon ist präpariert …
- … die Wellen wogen bereits …
- … und der Graben ist fast zugeschüttet …
- … weit ist der Weg in die Freiheit …
- … eine Raststation tut da gut …
- … und siehe: beim „Burgermeister“ gibt es nicht nur schlechte Burger, sondern auch schlechten Service wie anderswo …
- … dafür hat sich die Wirtschaft etwas einfallen lassen (was nicht ganz perfekt angenommen wird) …
- … zu schweigen vom Gender-Mainstreaming in einem ohnehin sexuell emanzipierten Viertel …
- … wo einst Ufos landeten – der Begriff „Postmoderne“ muss von den Außerirdischen als Tarnung erfunden worden sein …
- … sie haben selbst den Markt leergekauft …
- … die Hochschule verweisen lassen …
- … reihenweise Häuser entleert …
- … und nennen das „life style“ …
- … der deutsche Spatz hat kapituliert, denn diesmal sollte es die Taube auf dem Dach sein …
- … am Ende aber musste doch die Brücke genügen.